Die Hämostase ist ein lebenswichtiger Prozess, bei dem aus Fibrin, einem Plasmaprotein, ein Gerinnsel gebildet wird, welches eine bestehende Blutung durch Verstopfen der Blutungsöffnung stillt. Der Prozess der Hämostase kann durch verschiedenste erbliche Erkrankungen gestört werden. Hämophilie A und B sind zwei dieser Erbkrankheiten und werden X-chromosomal rezessiv vererbt, was bedeutet, dass der Defekt, der die Krankheit codiert, auf dem X-Chromosom liegt, und alle vorhandenen X-Chromosomen, bei Frauen zwei, bei Männern lediglich eines, diesen Defekt in sich tragen müssen, damit sich die Erkrankung ausbildet. Männer sind aufgrund der Hemizygotie öfter betroffen als Frauen.
Die Hämostase läuft in zwei Phasen ab, der primären und der sekundären Hämostase. Während der primären Hämostase durchlaufen Thrombozyten drei Schritte: Im ersten Schritt, der Adhäsion, heften sie mithilfe des von-Willebrand-Faktors an den Defekt des Endothels des Gefäßes. Daraufhin werden während der Aktivierung gerinnungsfördernde Substanzen ins Blut abgegeben und abschließend kommt es zur Aggregation, bei der sich Fibrinmoleküle untereinander vernetzen. Dadurch bildet sich ein dreidimensionales Netz aus Thrombozyten, das den Bereich der Verletzung des Blutgefäßes verstopft und dadurch die Blutung stoppt.
Die sekundäre Hämostase, auch Gerinnungskaskade genannt, führt zur Gerinnung von Fibrin im Plasma, welches die Grundsubstanz des Thrombus ist. Sie wird wiederum in zwei Wege unterschieden, den extrinsischen und den intrinsischen, die beide in derselben Endstrecke enden. Bei ersterem wird der Tissue Factor, das Gewebethromboplastin, durch die Verletzung des Endothels freigesetzt. Dieser sich sonst unter dem Endothel befindliche Faktor III aktiviert den im Blut vorzufindenden Faktor VII zu Faktor VIIa. Dieser bildet mit Gewebethromboplastin, Phospholipiden und Calcium-Ionen einen Enzymkomplex, die extrinsische Tenase, welche Faktor X mittels enzymatischer Spaltung aktiviert. Kollagen, welches beim intrinsischen Weg eine wichtige Rolle spielt, wird so wie der Tissue Factor durch die Verletzung des Endothels freigesetzt und aktiviert mithilfe von Kallikrein und Kininogen den Faktor XII. Hier kommt es zur positiven Rückkopplung, da das Produkt Faktor XIIa Präkallikrein zu Kallikrein aktiviert. Zudem aktiviert der Faktor XIIa mithilfe vom Thrombin (Faktor IIa) Faktor XI. Dieser Faktor XIa aktiviert wiederum Faktor IX, den Christmas-Faktor, an welchem es Patienten mit Hämophilie B mangelt. Faktor IIa aktiviert Faktor VIII, der bei Hämophilie A unzureichend aktiv oder vorhanden ist, welcher dann mit Faktor IXa, Phospholipiden und Calcium-Ionen die intrinsische Tenase bildet. Sowohl die intrinsische als auch die extrinsische Tenase aktivieren den Faktor X (Stuart-Power-Faktor). Zudem aktiviert Thrombin den Faktor V. Mithilfe des Faktor-Xa-Va-Komplexes wird Faktor II (Prothrombin) in Thrombin umgewandelt. Dieses spaltet Fibrinogen (Faktor I) in Fibrin-Monomere, welches durch den ebenfalls mithilfe von Thrombin aktivierten Faktor XIII quervernetzt wird und so, durch die kovalenten Bindungen zwischen Glutamin- und Lysinresten, einen unlöslichen Fibrinthrombus bildet. Durch die sogenannte Nachgerinnung kommt es abschließend zur Stabilisierung des Thrombus, welcher den Endotheldefekt abdichtet und somit die Blutung stillt.
Neben der Hämophilie A und B gibt es weitere Typen der Blutgerinnungsstörung. Um diese zu unterscheiden, können verschiedene Tests in Form von Blutuntersuchungen veranlasst werden. Je nach Erkrankung ist der Quick-Wert bzw. INR, die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), die Plasmathrombinzeit (PTZ) und/oder die Reptilasezeit abweichend von den Normwerten. Bei Hämophilie A und B ist die aPTT erhöht, während sich die Ergebnisse der anderen Tests im Normalbereich befinden. Dabei wird die Dauer der Aktivierung des intrinsischen Systems durch Zugabe von Kollagen bis hin zur Bildung von Fibrinpolymeren in der Endstrecke untersucht.
Um die beiden Hämophilien zu differenzieren, weist man das jeweilige Faktorendefizit nach oder bestimmt quantitativ die Einzelfaktoren. Nach korrekter Diagnose und Einordnung des Schweregrades wird eine Therapie geplant, um Symptome der Krankheit zu vermeiden. Bei der Hämophilie A liegt entweder ein absoluter Mangel oder eine Inaktivität des Faktor VIII vor, was in beiden Fällen zu klinischen Symptomen wie Nabelschnurblutungen nach der Geburt, Einblutungen in Gewebe, aber auch Nasenbluten führt. Je nach Schweregrad der Erkrankung und Lokalisation der Blutung kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Neben dem prophylaktischen Vermeiden von Risikofaktoren ist die Substitutionstherapie ein wichtiger Faktor, um Risiken zu minimieren. Bei schweren Formen der Erkrankung, bei denen die Restaktivität des Faktor VIII unter einem Prozent liegt, sollten in bestimmten zeitlichen Abständen gentechnisch hergestellte Faktorenkonzentrate intravenös substituiert werden, um Langzeitfolgen wie Organ- oder Gelenkschäden zu vermeiden. Bei akuter Blutung, beispielsweise einem Schnitt, sollten zeitnah Faktorenkonzentrate intravenös verabreicht und unter Blutungskontrolle fortgeführt werden, bis die Blutung unter Kontrolle und stabilisiert ist. Patienten mit leichter Hämophilie, bei denen die Restaktivität des Faktor VIII mehr als zehn Prozent beträgt, können mithilfe von Desmopressin therapiert werden. Diese Substanz führt zur Freisetzung des Faktors aus körpereigenen Speichern und kann somit kurzzeitig zur Blutstillung genutzt werden.
Durch die Gabe von Faktorenkonzentraten kann es bei einigen Patienten zu einer Reaktion kommen, bei der Allonantikörper gegen den substituierten Faktor gebildet werden. Die entstandenen Hemmkörper binden sich an den substituierten Faktor und machen ihn damit unwirksam, wodurch die Dosis, die benötigt wird, um ausreichende Wirkung zu erzielen, steigt, sodass es bei unveränderter Weitergabe der Ursprungsdosis trotzdem zu unkontrollierten Blutungen kommen kann. Als Alternative zur Dosiserhöhung kann die Gabe von Emicizumab als Therapie wirksam sein. Diese Substanz ist ein bispezifischer Antikörper, dessen eine Seite an Faktor IXa bindet, während die andere Seite eine Bindung mit Faktor X eingeht. Dadurch ahmt Emicizumab die Funktionsweise des Faktor VIII nach, ohne von den Hemmkörpern erfasst zu werden, da es eine komplett andere Struktur besitzt.
Welche der folgenden Aussagen ist am ehesten ableitbar?
Männer sind häufiger als Frauen von x-chromosomal-rezessiven Erbkrankheiten betroffen.
Personen mit einer Hämophilie haben eine verkürzte Blutungsdauer.
Die Hämostase wird durch die Hämophilie verbessert.
Während der sekundären Hämostase ist der Von-Willebrand-Faktor von großer Bedeutung.
Ein häufiges Symptom der Hämophilie sind tiefe Beinvenen-Thrombosen.